HIV-Infektion und berufliche Vorsorge
Frage von Herrn B. M.: Ich bin HIV-positiv und werde demnächst meine erste Anstellung antreten. Was sollte ich im Zusammenhang mit der zweiten Säule wissen?

Alicia Miyoshi MLaw antwortet:
Die berufliche Vorsorge deckt die Risiken Alter, Invalidität und Tod. Während die AHV und die IV als erste Säule das Existenzminimum sichern, verfolgt die berufliche Vorsorge das Ziel, den Versicherten oder deren Hinterlassenen die Fortsetzung des bisherigen Lebensstils in angemessener Weise zu ermöglichen.
Wer einer unselbständigen Arbeit nachgeht, AHV-versichert ist und bei einer Arbeitgeberin ein Jahreseinkommen von mindestens 21’330 Franken (ab 1. Januar 2021: 21’510 Franken) erzielt, ist in der beruflichen Vorsorge obligatorisch versichert. Es obliegt der Arbeitgeberin, Sie bei einer Pensionskasse anzumelden.
Innerhalb der zweiten Säule wird zwischen der obligatorischen und der überobligatorischen Vorsorge unterschieden. Die obligatorische Vorsorge entspricht den gesetzlichen Vorschriften und definiert den Minimalstandard. Alle Versicherten werden unabhängig von ihrer gesundheitlichen Verfassung in diese Sozialversicherung aufgenommen.
Viele Pensionskassen sehen in ihren Reglementen Leistungen vor, die weitergehen als das BVG-Minimum. In diesem überobligatorischen Teil gelten die Regeln des privaten Versicherungsrechts, weshalb beim Abschluss eines neuen Vertrags explizit Fragen nach vorbestehenden Krankheiten gestellt werden dürfen. Diese müssen im Rahmen der Mitwirkungspflicht wahrheitsgemäss beantwortet werden. Eine HIV-Infektion gilt auch bei voller Arbeitsfähigkeit als vorbestehende Krankheit. Die Pensionskasse informiert die Arbeitgeberin über das Vorliegen eines Gesundheitsvorbehalts, da sich dies auf die Prämien auswirkt. Sie darf aufgrund des Datenschutzgesetzes jedoch keine Diagnose weitergegeben: Ihre Arbeitgeberin erfährt also nicht von Ihrer HIV-Infektion.
Wird eine Gesundheitsfrage falsch beantwortet, liegt eine Anzeigepflichtverletzung vor. Die Pensionskasse kann im überobligatorischen Bereich vom Vorsorgevertrag zurücktreten und Leistungen, die sie in Zusammenhang mit der nicht angegebenen Krankheit bereits erbracht hat, zurückverlangen. Falls jedoch der Fragebogen nicht direkt der Pensionskasse, sondern zuerst Ihrer Arbeitgeberin zugestellt werden muss, darf die Frage falsch beantwortet werden. Der Pensionskasse sollte unverzüglich per Einschreiben eine Berichtigung zugesandt werden.
Die Pensionskasse kann einen maximal fünfjährigen Vorbehalt auf vorbestehende Krankheiten wie etwa HIV anbringen. Dies bedeutet, dass die Pensionskasse im Fall einer HIV-bedingten Invalidität nur Rentenleistungen aus dem obligatorischen Bereich erbringt. Tritt unabhängig von der HIV-Infektion eine Invalidität ein, werden auch Leistungen des überobligatorischen Bereichs übernommen. Nach Ablauf des Vorbehalts sind Sie auch im Fall einer HIV-bedingten Krankheit voll versichert.Mit einem Stellenwechsel geht meist auch ein Wechsel der Pensionskasse einher. Die neue Pensionskasse muss die Laufzeit eines bestehenden Vorbehalts anrechnen. Falls Sie zum Beispiel bereits ein Jahr lang einen Vorbehalt auf HIV-bedingte Krankheiten hatten, darf die neue Pensionskasse hierfür einen Vorbehalt für maximal vier Jahre auferlegen.